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Warum bleiben Kälber nach der Geburt nicht bei der Kuh?

Kälber auf deutschen Milchbetrieben werden in der Regel wenige Stunden nach der Geburt von der Mutter getrennt. Die weiblichen Kälber bleiben meist für die eigene Nachzucht auf dem Milchviehbetrieb. Die Bullenkälber verbringen mindestens vier Wochen ihres Lebens im Milchviehbetrieb und werden dann auf einem Mastbetrieb aufgezogen. In diesem Beitrag erklären wir den Werdegang von weiblichen und männlichen Kälbern ab ihrer Geburt.

Leben und Kalbung einer deutschen Milchkuh

Mit 1,5 Jahren sind weibliche Rinder – sogenannte Färsen – geschlechtsreif und ihr Weg als Milchkuh beginnt. Die Färsen werden zunächst mit dem Sperma von Zuchtbullen besamt und sind dann neun Monate tragend. Die Zeit der Trächtigkeit verbringen die Tiere meist auf der Weide, kurz vor der Kalbung kommen sie in den Stall. Nach der Geburt des Kalbs steigt die Milchmenge der Kuh stetig an und erreicht etwa drei Monate nach der Kalbung ihren Höhepunkt. Die Milchperiode dauert etwa 300 Tage. Während der Milchperiode wird die Kuh erneut besamt und ist so zu deren Ende wieder trächtig. Dieser Zyklus wiederholt sich mit vier bis fünf Kälbern, die Milchkühe im Schnitt zur Welt bringen.

Warum werden Mutterkuh und Kalb getrennt?

Es gibt verschiedene Gründe, warum sich die Praxis der Trennung von Kalb und Kuh etabliert hat. Studien aus natürlichen Herden haben gezeigt, dass sich eine Bindung zwischen Kuh und Kalb nicht von Anfang an besteht, sondern sich erst entwickelt. So zeigen Kühe bei Totgeburten, oder wenn ein Raubtier das Neugeborene reißt, relativ wenig Stresszeichen. Der Stress erhöht sich jedoch, wenn Kalb und Kuh sich bereits aneinander gewöhnt haben und dann getrennt werden. In der Milchkuhhaltung werden die Rinder deshalb bereits wenige Stunden nach der Geburt getrennt, um dieser Bindung vorzubeugen.
Es gibt zudem gesundheitliche Gründe für das Kalb, die für eine separate Versorgung von Mutter und Jungtier sprechen. Kälber haben nach der Geburt ein anfälliges Immunsystem. Eine keimarme Umgebung, vor allem abseits vom Kot der Kuh, schützen das junge Rind nachweislich vor Krankheiten. Außerdem schießt vor allem bei erstgebärenden Kühen die Milch oft nicht sofort ein oder die Kuh lässt das Kalb nicht ans Euter. Doch die Kälber sind nach der Geburt auf die sogenannte Biestmilch angewiesen, denn sie enthält viele Immunglobuline und unterstützt die Bildung des Immunsystems. Wenn die Kuh gemolken und das Kalb anschließend mit der Milch getränkt wird, kann sichergestellt werden, dass es alle wichtigen Nährstoffe erhält.

Auch für die Mutterkuh hat es gesundheitliche Vorteile, wenn sie vom Kalb getrennt ist: Ist das Euter oder ein Viertel dessen leer und das Kalb nuckelt an der Zitze, kommt es zum sogenannten „Blindmelken“. Dies kann zu schmerzhaften Infektionen am Euter führen, weshalb eine räumliche Trennung die Eutergesundheit der Kuh verbessert.

Gibt es Alternativen zur Trennung von Mutterkuh und Kalb?

Die muttergebundene Kälberaufzucht oder die Ammenkuhhaltung sind Alternativen zur Trennung von Mutter und Kalb, werden jedoch selten in der Milchkuhhaltung praktiziert, weil konventionelle Ställe nicht darauf ausgerichtet sind. Bei der muttergebundenen Haltung findet eine Zusammenführung von Kuh und Kalb zum Säugen an verschiedenen Punkten des Tages statt; beide leben jedoch in getrennten Ställen. Bei der Ammenkuhhaltung säugt eine Kuh bis zu vier junge Rinder, mit denen sie einen Stall teilt. Einen Königsweg, der wirtschaftliche, praktische, gesundheitliche und soziale Interessen der LandwirtInnen und Tiere zusammenbringt, gibt es bisher nicht.

Was passiert mit den Kälbern nach der Geburt?

In den ersten Stunden bei der Mutter nehmen die Kälber im Idealfall etwa 2 Liter der lebenswichtigen Biestmilch von ihrer Mutter auf. Einige Stunden nach der Geburt werden Mutterkuh und Kalb getrennt. Die Kuh kehrt in den Milchstall zurück. Das Kalb kommt einzeln mit Sichtkontakt zu den anderen Kälbern oder mit einem weiteren Kalb gleichen Alters in eine Box oder ein Kälberiglu, damit sichergestellt werden kann, dass jedes Kalb genügend Milch aufnimmt. Danach bekommen die Kälber Milch und Raufutter, damit sich der Pansen ausbilden kann und sie zum Wiederkäuer werden. Spätestens ab der achten Lebenswoche müssen die Tiere in eine Gruppenhaltung mit anderen Kälbern überführt werden.

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Der Weg des männlichen Kalbs

Die Bullenkälber verbringen mindestens vier Wochen ihres Lebens im Milchviehbetrieb, denn grundsätzlich dürfen Kälber erst ab der fünften Lebenswoche transportiert werden. Da die Kälber, die in unsere Mastbetriebe aufgenommen werden, in aller Regel aus unterschiedlichen Herkunftsbetrieben stammen, unterscheiden sie sich zunächst auch stark in Bezug auf ihre Trink- und Futtergewohnheiten.

Sie leben daher in den ersten vier bis sechs Wochen in Einzelboxen, damit der Landwirt sie besser beobachten und anfüttern kann. Die Boxen sind so groß, dass sich das Kalb darin frei bewegen kann. Durch die Einzelhaltung soll auch verhindert werden, dass sich die Tiere in dieser sehr krankheitsanfälligen Frühphase gegenseitig anstecken. Allein sind die Kälber dabei aber trotzdem nicht, denn die Boxen sind seitlich offen, so dass sich die Jungtiere nicht nur sehen, sondern auch Berührungskontakt haben können. Auf diese Weise bekommen die Bullenkälber schon von Beginn an die Gelegenheit, sich an die zunächst fremden Artgenossen zu gewöhnen. Für den Landwirt ist die Einzelhaltung der Kälber besonders arbeitsintensiv: Dabei werden die Trinkgeschwindigkeit, die aufgenommene Futtermenge und die Verdauung genau beobachtet, denn in diesen ersten Wochen werden alle Kälber per Hand einzeln gefüttert.

Wenn die Kälber etwa vier bis sechs Wochen alt sind, werden sie entsprechend der Beobachtung des Landwirts zu einzelnen Gruppen zusammengestellt. Innerhalb der Gruppe können sich die Kälber frei bewegen. Dies ist besonders wichtig für eine gute Gesundheit der Tiere.

Die übliche Kälbermast findet in geschlossenen Ställen statt. Die Stallhaltung ermöglicht es, die klimatischen Verhältnisse und die Fütterung auf das Alter der Tiere anzupassen. Es werden Techniken eingesetzt, die einerseits den Ansprüchen der Tiere gerecht werden und andererseits wesentliche Arbeitserleichterungen für den betreuenden Landwirt bedeuten. Im Krankheitsfall sind individuelle Einzeltierbehandlungen möglich. Die Mast von Kälbern ist ein hoch spezialisierter Betriebszweig in der Landwirtschaft. Er fordert von uns große Erfahrung und die Bereitschaft, sich mit all seinen Kräften der Tierhaltung verantwortungsvoll zu widmen. Wir übernehmen täglich Verantwortung für die Tiere, aber auch der Umwelt und den Verbrauchern gegenüber.

Der Weg des weiblichen Kalbs

Weibliche Kälber bleiben häufig in dem Stall, in dem sie geboren wurden und werden selbst zur Milchkuh. Hat ein Stall zu viele weibliche Kälber, werden diese auf Auktionen verkauft und werden auf einem anderen Hof zur Milchkuh oder als Färsen in einem Mastbetrieb gehalten und abschließend zu Fleisch verarbeitet.